Herbert Höner – Marlies Kalbhenn

 

Zweimal Bescherung
Ein anderes Weihnachtsbuch
Mit Illustrationen von Christiane Tietjen
 
Marlies Kalbhenn Verlag
ISBN 978-3-9814018-3-7
 
Unverbindlicher Richtpreis 5 €



„Gedichte, Gedanken, Erzählungen und Berichte

zu Weihnachtsfesten der Kindheit: Es ist ein breites Spektrum."

 

Und so hat der Titel neben der gleichnamigen Erzählung auch noch den Hinweis auf das Autoren-Duo in sich, das sich zwar auf unterschiedliche Weise mit der Weihnacht beschäftigt, aber ‚mit einer Stimme‘ von dem Wunder von Christi Geburt und dem Umgang der Menschen damit erzählt.“

 

(Münstersche Zeitung)

 

***

 

„Das Buch ist eine Schatzkiste, in der es viel zu stöbern und zu entdecken gibt.

Von Gefühlen wird gesprochen zwischen den Zeilen, manchmal auch von Wundern.

‚Zweimal Bescherung‘, auch zum Vorlesen gut geeignet,
macht das Fest der Feste von innen heraus hell.“

 

(Neue Westfälische)


***


„Zusätzlich verstärkt wird die Lesefreude durch die durchgehend farbigen,

liebevollen Illustrationen von Christiane Tietjen.“

 

(Neue Osnabrücker Zeitung / Meller Kreisblatt)


Inhalt

Gebet
Es ist ein Tau gefallen
Macht hoch die Tür
Ein Weihnachtsbrief aus Finnland
Eine Mohrrübe fürs Rentier
Meistens stellten wir Teller auf
Denkt euch, ich habe das Christkind gesehn
Franse die Bürsten!
Ein Fichtenbaum träumt
Der Engel der Geburt
Maria
Nicht meine Frage
Ein Mann wie er
Krippenspiele
Jauchzet, frohlocket
Gedanken während eines Weihnachtskonzertes
Ihr werdet ein Kind finden
Einem neugeborenen Kinde
Zweimal Bescherung
Guter(?) Vorsatz
Das Ende vom Lied
Ein Weihnachtsbrief aus Jerusalem
Weihnukka
Das Wunder von Chanukka
Leuchtende Augen und leuchtende Kerzen
Um dieser Nachricht willen
Einmal im Jahr
Welt ging verloren
Duett am Wolchow
Die Sterne von Birkenau
Zonenplätzchen
Der Heiligabendhund
Ein Atlas und ein Mantel
Engel und Hirten
Hirten, Herde und ein neugeborenes Kind
Und doch ...
Die eine Nacht oder die vielen Tage?
Der Engel in Jeans
Weihnachtsgäste
Fröhliche Weihnachten
Danke für den schönen Stoffrest
Ein Stall und ein Stern
C + M + B
Josef erzählt


Bilder und Texte

Illustration zu dem Gedicht „Ein Fichtenbaum träumt“

Illustration zu der Geschichte „Ihr werdet ein Kind finden“

Illustration zu dem Gedicht „C+M+B“


Ein Atlas und ein Mantel

Marlies Kalbhenn

Nach dem Frühstück am Heiligen Abend fuhr ich mit Papa und Elisabeth zum Bahnhof, um Oma Käthe abzuholen. Opa Karl war schon vorgestern bei uns gewesen und hatte uns sein Geschenk gebracht. „Guckt mal! Ein Schwan! Opa hat uns einen Schwan mitgebracht!“, hatte Andreas gerufen, als er die Weihnachtsgans sah.
„Hoffentlich muss Oma heute Abend nicht wieder weinen“, sagte Elisabeth, als der Zug hielt.
„Das sieht ja aus, als wolltest du ein halbes Jahr bleiben“, sagte Papa und nahm Oma den Koffer und die große Tasche ab. „Was hast du da alles drin?“, fragte Elisabeth.
„Das erfährst du noch früh genug, mein Mädchen“, sagte Oma und nahm Elisabeth, dann mich, dann Papa in den Arm.
Der Tag dehnte sich wie Gummiband. Die Spannung war fast unerträglich.
Während Mama und Papa das Weihnachtszimmer fertig machten, spielte Oma mit uns jedes Gesellschaftsspiel zwei- oder dreimal. Außerdem las sie uns Märchen vor: „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“, „Sterntaler“, „Schneeweißchen und Rosenrot“.
Nach dem Mittagessen wurden wir von Mama neu eingekleidet. Die Stricksachen waren gerade noch rechtzeitig fertig geworden. Elisabeth und ich bekamen einen Rock und einen Pullover, Andreas eine Hose und auch einen Pullover. Alle Sachen sahen ganz gleich aus. Und wenn wir gleich groß gewesen wären, hätte man uns für Drillinge halten können.
In der Andreaskirche hörten wir die Weihnachtsgeschichte und sangen „Stille Nacht, heilige Nacht“ und „O du fröhliche“. Und hinterher aßen wir Kartoffelsalat und Würstchen wie an jedem Heiligen Abend.
Nach dem Abendessen gab es immer noch keine Bescherung, denn Papa verschwand mit seiner Schreibmaschine im Kinderzimmer. „Was macht er denn jetzt noch, Mama?“, fragte Elisabeth und hüpfte vor Ungeduld von einem Bein auf das andere. „Wahrscheinlich dichtet er“, sagte Mama. „Ihr wisst doch, dass jeder von uns ein Gedicht von Papa bekommt.“
„Aber warum macht er das erst jetzt?“, sagte ich. „Vermutlich, weil ihn erst jetzt die Muse küsst“, sagte Mama und lachte. Weil er so viel Staub putzen musste und Teppichfransen bürsten, darum kommt er erst jetzt dazu, dachte ich.
Es dauerte und dauerte und dauerte. Mama und Oma räumten den Abendbrottisch ab. Ich stellte mich mit den Kleinen vor die Kinderzimmertür. Wir hörten zu, wie Papa in die Tasten seiner Maschine haute. Als es still wurde, dachten wir schon, er wäre fertig. Aber dann hämmerte er wieder drauflos. „Ich halte es nicht mehr aus, Mama!“, sagte Elisabeth. „Ich auch nicht!“, sagte Andreas.
„Herbert, wie lange dauert es denn noch?“, rief Mama. Zu Oma sagte sie: „Das ist typisch dein Sohn, immer auf die letzte Minute!“
Oma wollte gerade etwas erwidern, da ging die Tür auf. „Nur noch fünf Minuten, Kinder!“, rief Papa und machte die Tür wieder zu.
Aus den fünf Minuten wurden zehn. Dann kam er mit einem Paket aus dem Kinderzimmer und ging mit Mama ins Weihnachtszimmer. Kurze Zeit später klingelte das Glöckchen. Wir gingen in den Flur. Die Stubentür war weit geöffnet: Es roch nach Tannenzweigen, Honigkuchen und Orangen. Wir stellten uns vor dem großen Weihnachtsbaum auf, der mit silbernen Kugeln, silbernem Lametta und weißen Kerzen geschmückt war, und sangen „Ihr Kinderlein kommet“. Den Mantel sah ich sofort. Er war grau und hatte große Taschen und eine gefütterte Kapuze. Und er stammte nicht aus Fräulein Kraus’ Kleiderkammer. Mama hatte ihn nicht geerbt, nicht umgeändert, nicht selbst genäht, sondern für mich in einem Geschäft gekauft. Mein erster gekaufter Mantel! Natürlich zog ich ihn gleich an und beguckte mich im Schlafzimmerspiegel. Diesen Mantel, das wusste ich, würde ich heute Abend nicht wieder ausziehen. Ganz egal, wie heiß es im Weihnachtszimmer war.
Das zweitschönste Geschenk war der Atlas, den ich so dringend in der Schule brauchte, eigentlich schon seit April gebraucht hätte. Weil er so teuer war, bekam ich ihn erst jetzt zu Weihnachten. Ich schlug ihn auf und sah das Gedicht, das Papa vorhin im Kinderzimmer geschrieben hatte. Das Blatt war noch feucht von dem Klebstoff.
Lies es vor“, sagte Mama.
Da las ich vor, was Papa für mich gedichtet hatte:

Dein Atlas führt dich fort von hier,
weit durch die Welt, die runde.
Und ist er auch nur aus Papier,
auf bunten Karten gibt er dir
von Städt’ und Ländern Kunde.

Wie einst Kolumbus kannst du da
Amerika entdecken
und tief im heißen Afrika
mit schwarzen Kindern, sieh nur, ja,
dich hinterm Busch verstecken.

Nach Asien entführt er dich,
dem Erdteil alter Sagen.
Australien auch findet sich.
Pass auf, sonst gibt’s ’nen Sonnenstich!
Willst du die Reise wagen?

Europa dann und Deutschland noch
lernst kennen du und lieben.
Nun sag, mein Kind, ist er nicht doch,
dein neuer Atlas, dreimal hoch,
ist er nicht zum Verlieben?

Nimm ihn nur oft und gern zur Hand
und geh mit ihm auf Reisen.
Er zeigt dir manches fremde Land,
und wer dort überall bekannt,
gehört wohl zu den Weisen.


„Du bist ja ein richtiger Dichter, Papa“, sagte ich und gab ihm einen Kuss.
„Er ist ja auch mein Sohn“, sagte Oma Käthe und strahlte ihn an.
An diesem Abend hat sie noch gar nicht geweint, dachte ich und gab ihr auch einen Kuss, weil ich auch sie lieb hatte. Und weil ich schon mal beim Küssen war, bekamen Mama, Elisabeth und Andreas auch einen.
Die Kerzen waren heruntergebrannt. Und mein bunter Teller, den Oma morgen aus den Vorräten in ihrer großen Tasche wieder auffüllen würde, war fast leergefuttert. Da sagte Mama: „Ich glaube, Marie, es ist auch für dich Zeit, ins Bett zu gehen.“
Ich protestierte. Aber Oma sagte, was sie immer sagte, wenn es ums Schlafen ging: dass Kinder viel Schlaf brauchten und der Schlaf vor Mitternacht der gesündeste sei.
Papa tröstete mich: „Morgen ist auch noch ein Tag, meine Schöne.“
Im Kinderzimmer, in dem Elisabeth und Andreas seit zwei Stunden schliefen, legte ich den Mantel über die Fußlehne meines Bettes. Der Atlas und Omas „Pucki“-Bücher kamen auf den Nachttisch.


Ein Stall und ein Stern

Marlies Kalbhenn

Ein Stall und ein Stern.
Das Heil nicht mehr fern.
Eine Krippe, ein Kind.
Erlösung beginnt.
Eine Nacht voller Hoffen.
Der Himmel heut offen.



Josef erzählt

 Herbert Höner

Doch, ja: Ich bin Josef aus Nazareth, Mann der Maria und Vater des Jesus, den sie im blühenden Alter von dreißig Jahren gekreuzigt haben – die Römer, im Bund mit einigen unserer Oberen. Maria ist jetzt viel in Jerusalem bei der neuen Gemeinde der Jesus-Anhänger. Aber ich bin nicht mehr so beweglich und lebe hier in Nazareth mit meinen Söhnen, Schwiegertöchtern und Enkeln zusammen. Hin und wieder mache ich mich noch nützlich und helfe in der Werkstatt oder auf dem Bau. Wir bauen Häuser. Mich als Zimmermann zu bezeichnen, ist nicht ganz richtig. Wir verarbeiten auch Steine und anderes Baumaterial. Vor allem aber wollen meine Enkelkinder und die Kinder in der Nachbarschaft, mitunter auch Erwachsene, von mir immer wieder hören, wie das damals war, als Herodes, König von Roms Gnaden, noch regierte. Die Sterndeuter, die Magier aus dem Osten, die waren wieder fort. – Nein, Könige waren es nicht. Wo denken Sie hin! Wer waren wir denn? Und Herrscher, die vor einem Kinde knien? Ich bitte Sie! Es waren die Gaben, ihre Gastgeschenke, von denen man sich wunders was erzählte. Wir wurden davon nicht reich, nicht einmal wohlhabend, aber diese Geschenke ließen später Könige aus den weisen Männern werden. Es waren auch mehr als drei, wenn ich mich recht erinnere. Übrigens waren wir niemals arm im Sinne von unterstützungsbedürftig, auch in Bethlehem damals nicht. Wir hätten durchaus ein Quartier bezahlen können. Es war nur keines mehr frei.
Also, die Sterndeuter zogen ab. Ich wunderte mich, dass sie nicht die Straße nach Jerusalem einschlagen wollten, denn sie hatten Herodes ja versprechen müssen, ihm von dem „neugeborenen König der Juden“ zu berichten, falls sie ihn gefunden hätten.
„Nein“, sagten sie, „wir haben eine Nachricht empfangen und müssen einen anderen Weg in unsere Heimat nehmen.“ Mir war zwar niemand aufgefallen, der ihnen eine Nachricht überbracht hatte, aber solche klugen Leute, dachte ich, die haben vielleicht ganz andere Möglichkeiten, geheime Verbindungen, wer weiß?
Wir, Maria und ich, trafen Vorbereitungen für die Rückkehr nach Nazareth. Sie war schon kräftig genug und längst wieder auf den Beinen, und wir freuten uns, zurück in unsere gewohnte Behausung und ich an meine Arbeit zu kommen. Noch eine Nacht in der Grotte schlafen – dann wollten wir den Weg nach Hause unter unsere Füße nehmen.
Es muss schon in der Frühe gewesen sein, ich hörte deutlich aus der Ferne einen Hahnenschrei, da stand der Mann im Eingang unserer Höhle. Nein, kein besonderer, er sah aus wie einer von uns, gekleidet wie jemand, der unterwegs ist. Und ich hörte deutlich, dass er mich anrief. Merkwürdig war nur, dass Maria mit ihrem leichten Schlaf offensichtlich nichts hörte. Auch der Säugling wurde nicht wach.
Also doch eine Traumgestalt? Einmal hatte ich das ja schon erlebt und jetzt ... Ja, die Stimme war dieselbe, fremd und doch vertrauenerweckend.
„Josef“, sagte die Stimme, ich meine, der Mann, der da stand, „nimm Maria und das Kind und zieh mit ihnen nach Ägypten. Herodes plant einen Mordanschlag gegen alle neugeborenen Knaben im Alter von bis zu zwei Jahren, in Bethlehem und Umgebung. Er fürchtet um seine Macht, darum soll euer Kind nicht groß werden. Beeilt euch, die Befehle sind schon ausgegeben und das Mordkommando ist schon unterwegs.“
Dann hörte ich nur noch die Hähne krähen und sah den Morgenhimmel sich zart über dem Toten Meer im Osten jenseits der Wüste röten.
Als ich Maria weckte und ihr den Traum erzählte, sagte sie: „Josef, mein Träumer!“ Und umarmte mich.
Ich sagte: „Und meine Maria verdankt es einem Traum, dass dieser Träumer ...“
Weiter ließ sie mich nicht kommen. Sie küsste mich und meinte: „Entscheide du.“
Ich hatte von Herodes genug gehört. Zutrauen konnte man ihm diese Aktion. Freilich: nach Ägypten zu gehen, war kein Spaziergang. Aber bevor Herodes dieses Kindes habhaft wird, dachte ich und sagte zu Maria: „Ich gehe mit dem Esel schnell nach Bethlehem rein und kaufe, was sich eben tragen lässt an Verpflegung. Still du das Kind und wickle es fest ein. Wir
brechen sofort auf, wenn ich zurück bin.“
Sie wissen: Wir sind nach Ägypten gekommen. Und unser Kind war gerettet. Und meine Erfahrung ist, dass Träume nicht immer Schäume sind. Und die leisen Stimmen – durch sie redet mitunter Gott zu uns.
Und in Ägypten? Da ging es uns gut!

Wir Juden haben ja schon aus Tradition Angst vor diesem Land und seinen Bewohnern. Lange vor Herodes hatte ein Pharao schon einmal einen Kindermord geplant, der aber vereitelt wurde und aus dem unser großer Prophet Mose als Kind gerettet hervorging.
Ägypten sollte jetzt für uns Refugium, Zuflucht sein? Das heidnische, böse Ägypten? Aus dem unsere Väter durch Gottes Macht befreit werden mussten?
Ja. Dieses Land war gut zu uns! Verteufeln Sie nie ein Land und seine Bewohner, auch wenn Sie einmal in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen damit gemacht haben. Und Gott hat oft gerade dort Möglichkeiten, wo wir es am wenigsten erwarten.
So war ich damals ganz aktiv beteiligt bei dieser Jesusgeschichte. Was hätte Maria mit dem Säugling auch ohne mich machen sollen? Gott hätte sie schon bewacht? Ach, das sehen wir Juden nüchterner. Gott handelt meistens durch Menschen. Und manchmal sind sie Träumer – wie ich. Denn ich träumte noch einmal, in Ägypten nämlich. Da erhielt ich die Nachricht, Herodes sei tot. Der Herrscher und Kindermörder habe nun seine Zeit gehabt. Und wir kehrten zurück nach Nazareth. Auf dem langen Weg trafen wir oft Karawanen. Noch immer geisterte der Mordbefehl des Herodes durch die Erzählungen der Händler und Kameltreiber, die uns jetzt bestätigten, dass er tot sei. In der Heimat hörten wir es dann genauer. Und es sei gewesen wie damals, als die Söhne Israels und Judas in die babylonische Gefangenschaft abgeführt wurden. Damals sagte einer unserer Propheten, Rachel, die Lieblingsfrau unseres Vaters Jakob, die übrigens bei Bethlehem begraben liegt, habe über ihre Kinder geweint.
Aber das kennen Sie ja auch, dass Mütter und Väter um ihre Kinder weinen, weil Herrschende (große und kleine) sie töten: leiblich, seelisch. Weil der Herodes immer wieder aufersteht. Und wenn Sie mich fragen, warum denn unser Kind damals gerettet wurde, während die anderen Kinder umkamen, dann muss ich Ihnen sagen: Ich weiß es nicht. Oder vielleicht: um ans Kreuz zu gehen.

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